Lehrkräfte sollen unterrichten!
- Thomas Bloedorn
- 7. Dez. 2023
- 2 Min. Lesezeit
Vor der Schule stehen drei Vertreterinnen des nichtbeamteten Lehrkörpers. Die Streikwesten übergezogen. Wieder Notbetreuung! Eine Lehrerin ruft: "Und nicht vergessen, morgen Mathearbeit!". Ob das eine gute Idee ist? Wenn die Mathelehrerin streikt? Notbetreuung bedeutet Schule ohne Stundenplan. Ich frage nach. Erfahre von der Senatsvorschrift, jetzt vier statt bisher drei Klassenarbeiten zu schreiben. "Aber das Schwein wird natürlich nicht fetter, indem man es täglich wiegt..." sagt die Lehrerin und beruhigt mich, sie setze das nicht um, sondern setze Klassenarbeiten an nach Lernentwicklung. Hier streiken mündige Bürger.
Doch gefühlt verlief bisher keine Woche wie geplant. Das Schuljahr war erst wenige Tage alt, der Jahresurlaub vebraucht, da brannte nach den Sommerferien die Turnhalle ab. Eine Woche Schulausfall und Notfallpläne. Dann kam Corona zurück. Auf dem Höhepunkt der Krankheitswelle meldeten sich kurzfristig 30 Lehrkräfte gleichzeitig krank. Krankheitausfall in irgendeinem Fach - das ist Wochennormalität. Die Streiktage kommen ob drauf. Inzwischen rät die Schulleitung an ihnen offen, zuhause zu bleiben. Oder mit streiken zu gehen. Für kleinere Klassen, für mehr Lehrer, Tarifwandel. "Und was bringt das heute?" frage ich genervt die Gewerkschaftswesten. "Na heute geht es ja um was anderes. Gerechtigkeit bei der Inflationspauschale." Ah, davon habe ich gehört. Der Geldtopf wurde ungerecht verteilt und ist leer. Bei einem Träger in der eFÖB (ergänzende Förderung und Betreuung, Hort), also bei denjenigen, die die Streiktage auffangen, arbeiten Mitarbeitende mit voller Pauschale neben anderen, die gar nichts kriegten. Da würde ich auch streiken.
Und was geschieht in den Familien? Die Kinder sind inzwischen irritiert. Abends hoffen sie auf das Nein bei ihrer Standardfrage: "Ist morgen Schule?". Morgens ziehen sie sich die Decke übern Kopf: "Ich streike!". Wozu in die Schule gehen, wenn man nicht weiß, ob die Freundin nicht auch zuhaue bleibt?
Als Vater mache ich inzwischen Verabredungen unter Vorbehalt. Sogar geschäftliche. Als Opa helfe ich bei den Enkeln. Als Geschäftsmann ärgere ich mich über Ausfälle. Und manchmal bringen mich die durchkreuzten Wochenabläufe so durcheinander, dass ich eigenen Kinder zusätzlich nerve. Schule soll aber nicht durcheinander bringen, sondern eine verlässliche Lernwelt eröffnen. Die Wissensvermittlung nicht Google überlassen. Auf einem Streikplakat lese ich: "Lehrkräfte wollen unterrichten - und nicht untergehen." Kinder wollen auch nicht untergehen. Auch die Eltern nicht. Aber eine Gesellschaft wird es tun, wenn die Lernentwicklung in den Strukturkämpfen in der Mangelwirtschaft "Bildung" untergeht. Wenn die Kinder groß sind, werden sie sich rächen. Ich empfehle dazu einen Songtext von Gerhard Schöne aus den "Sieben Gaben": "Die zurückgelassnen Kinder." Von 1992! Kann man googlen....

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